Im Departement Pyrenees-Orientales
Endlich! Oder: Was lange währt, wird (meistens) gut…
Es war der dritte (gefühlt: sechste) Anlauf, den östlichen und mittleren Pyrenäen im Süden Frankreichs endlich einen Besuch abzustatten! Und damit der (zum wiederholten Male) zum Corona Hochrisiko-Gebiet erklärten Region Okzitanien unsere Aufwartung zu machen. Im Vorfeld war allerdings eine Autobahnstrecke von ca. 1600 Kilometern zu „bezwingen“: in 2 Tagesetappen eine anstrengende, aber machbare Aufgabe. Mit entspanntem Tempo 130 auf Frankreichs Top-Autobahnen und sauberen Parkplätzen/Raststätten an den Ausfahrten. Und noch etwas: Der Nachweis des Corona-Status` „Geimpft“ oder „Genesen“ war in Südfrankreich vor allen Einlässen zu Kultur, Sehenswürdigkeiten, Gastronomie und Beherbergung zwingend (!) erforderlich. Einheitlich, länderübergreifend und konsequent.
Was uns bisher nicht geläufig war: Die Region Okzitanien besteht seit der Verwaltungsreform im Jahr 2016 aus den zwei miteinander fusionierten Regionen Longuedoc-Roussillon und Midi-Pyrenees (Beitragsbild/obere Karte). Es umfaßt damit insgesamt 16 Departements (Arriege, Aude, Haute-Garonne, Herault, Pyrenees Orientales, Hautes-Pyrenees usw.) mit ca. 6Mio Einwohnern, die Hauptstadt ist Toulouse.
Das ganz im Süd-Osten Okzitaniens gelegene Departement Pyrenees-Orientales (Hauptstadt: Perpignan) entspricht dem Verwaltungsgebiet des historischen Roussillon und war vor 350 Jahren noch spanisches Herrschaftsgebiet. Zwischen Mittelmeer und dem Kleinstaat Andorra gelegen, umfaßt es die 6 ehemaligen katalanischen Grafschaften Conflent, Capcir, Fenouilledes, Cerdagne, Roussillon und Vallespir. Karl der Große gründete diese Grafschaften im 9. Jh. als Spanische Mark zwischen dem Frankenreich und dem damaligen maurischen Herrschaftsgebiet in Nordspanien. Mit der Ansiedlung von spanischen Christen entstanden hier eine ganze Reihe von christlichen Abteien und Prioraten. Und: Eine Pufferzone zwischen Islam und Christentum. Später und im Ergebnis des Pyrenäenfriedens von 1659 wurden diese Grafschaften (Comarcas) vom restlichen Katalonien (Königreich Aragonien) abgetrennt und Frankreich zugesprochen. Katalonien wurde geteilt und die einstige französisch-aragonische Grenze mit ihren bis an die Zähne bewaffneten Burgen und Grenzfestungen verschob sich nach Süden.
Was diese Comarcas jedoch noch heute vereint, ist der Ausblick auf den heiligen Berg der Katalanen, den Pic du Canigou (2784m).
Die oben genannten franko-katalanischen Gebiete sind reich an Kulturgütern und Meisterwerken aus der Zeit der Romanik (etwa 1000-1250 n.Ch.). Einige davon kennenzulernen, ist seit Jahren ein langgehegter Wunsch. Wir sind also unterwegs auf mehrtägiger Erkundungstour im historischen Roussillon. Unser Domizil in dieser Zeit ist die Stadt Prades im im Conflent.
1. Die Abtei Saint-Michel de CUIXA
Die mehr als tausendjährige Benediktinerabtei Saint-Michel de Cuixa ist heut eines der berühmtesten Monumente frühromanischer Bauweise in Südfrankreich.
„In Katalonien, im Herzen des Conflent, befindet sich zu Füßen des Canigou die große, dem Erzengel Michael geweihte Kirche. Eine imponierende graue Steinmasse, die von den roten Ziegeldächern erwärmt und von der beeindruckenden Silhouette des Glockenturms überragt wird. Ihre Geschichte verschmilzt mit der Geschichte Kataloniens, die während des Mittelalters Hilfe und Schutz der katalanischen Grafen erhalten hat“.
Die Ursprünge des Klosters Saint-Michel de Cuxa gehen auf das im Jahre 878 zerstörte Kloster Saint Andre d`Eixalada zurück, das beim Hochwasser des Gebirgsflusses Tet zerstört wurde. Es wurde im 10. Jh. an der heutigen Stelle wiederaufgebaut und im Jahre 974 geweiht. Durch zwei außergewöhnliche Äbte, Garin und Oloba, wurde der Name der Abtei vom 10.-12.Jh. weltberühmt. 1793 verließ der letze Mönch CUIXA und die über mehrere Jahrhunderte mehr und mehr verweltlichte Abtei wurde als Nationalgut verkauft. Private Eingriffe in die Bausubstanz, Teilabrisse und Beschädigungen verstärkten deren Baufälligkeit. Nach Wiederansiedlung und erneutem Weggang der Zisterzienser (1919-1965) begannen 1950 die Wiederaufbauarbeiten. Auch dank der Initiative der Bewohner des Roissillons. Das Kloster steht heut in Verwaltung der Benediktiner.
2. In der Abtei Saint-Martin-du-Canigou
Ein kleiner, steiler Pfad führt in das abgelegenste Kloster des gesamten Roussillons: Saint-Martin. Der Gipfel des Canigou, in dessen Schatten die Mönche vor 1000 Jahren ihren Weg zu Gott finden wollten, liegt zum Greifen nah.
Das Kloster liegt in fast 1100m Höhe auf einem vorspringenden Felsgrat und gilt als das vielleicht schönste Kloster Europas. Es wurde im Jahr 1009 als Benediktinerabtei geweiht. Saint-Martin überstand 1348 die schwarze Pest und -trotz Abgeschiedenheit in den Bergen- auch schwere Plünderungen, bis 1428 ein Erdbeben Glockenturm und mehrere Gebäude in Trümmer sinken ließ. 1779 verließen die letzen fünf Mönche das Kloster und gaben es damit dem Verfall preis. 1902 beginnt nach bischöflichen Aufruf und mit der Begeisterung der Katalanen nördlich und südlich der Pyrenäen der Neuaufbau der Abtei. Auf seinen Ruinen und in voller Schönheit wieder aufgebaut, wird das geistliche Leben heut von der katholischen Gemeinschaft der Seligpreisungen fortgeführt.
Ein weiteres Meisterwerk der romanischen Kunst ist das Priorat Serrabona, das sich über dem Boulestal der Pyrenäen erhebt. Ein weltabgeschiedener Platz im katalanischen Grenzland, der auch heute noch nur nur mühsam über unzählige Serpentinen erreichbar ist. Ein Teil des Geheimnisses um dieses Kloster steckt in seinem Namen: Serrabona bedeutet im Katalanischen „der gute Berg“. Von außen einfach und schmucklos aufgebaut aus grau-grünem Schiefer der Region. in seinem Inneren jedoch ausgestattet mit der Kunst damaliger Steinmetze: Meisterwerke aus rotem Marmor, gebrochen aus den Marmorbrüchen des Conflent… In den Archiven erstmals 1069 erwähnt, diente Serrabona den Chorherren des Augustiner-Ordens. Nach der Abschaffung aller spanischen Augustinerpriorate 1592 verlor das Priorat seine Bedeutung, wurde Pfarrkirche und verfiel. Anfang des 19. Jh. erfolgte die Restaurierung in großem Stil.
zum Lesen/Anschauen:
- Franjo Terhart: „Unentdeckte Pyrenäen“, National Geographic Adventure Press, Goldmann Verlag München, 2003
- Michael Schuh: „Pyrenäen-Handbuch für individuelles Reisen“, Reise Know how Verlag Peter Rump GmbH, Bielefeld 2015
- Naturzeit aktiv „Pyrenäen“, Naturzeit Reiseverlag e.k., 82288 Kettgeisering, Mai 2018
- Die Abtei St. Martin du Canigou, Verlag LESCUYER-RANCHON, 2014
- Die Abtei Saint-Michel de CUXA, MSN-Editionen, 2005
im Internet:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Okzitanien_(Verwaltungsregion)
- https://meinfrankreich.com/romanik_roussillon/
- https://guideloisirs66.com
karten-images:
- pixabay.com
- © Wikimedia Commons CC-BY-SA-4.0/Roland45; File:66-Pyrenees-Orientales©intercos-2019
(v.k.)