Der Film des Lebens

Der Film des Lebens…

Hör‘, was geheime Wissenschaft verkündet:
In jenem allerletzten Augenblick,
Wo sich dein Geistiges vom Körper trennt
Und in das Ätherreich des Ew`gen mündet.
Wo es den Schmerz der Zeit nicht kennt –
In jenem allerletzten Augenblick
Rollt sich dir magisch mit Sekundenschnelle,
Volldeutlich bildhaft und in Farbenhelle
Noch einmal ab dein irdisches Geschick!
Du siehst auf Mutter und Geburt zurück
Und siehst in langer, wechselvoller Reihe,
Seltsam umschauert von der letzten Weihe,
All das, was dir vergönnt war, durchzuleben!
Du siehst Geschehenes vorüberschweben,
Liebe und Haß, Gewalt’ges und Gemeines,
Glück, Unglück, Sieg und Niederlage,
Den holden Glanz versunkener Frühlingstage,
Die unerhörte Pracht der Welt des Scheines!
Des Sommers Fülle, alle Herrlichkeit,
Mit der dein schöner Pfad war benedeit!
Kunst und Natur und Spiel und Scherz,
Die Lust, die jauchzend überquoll,
Dein Bettleraug‘, von Tränen übervoll,
Dein Kinderlachen und den Mannesschmerz!
Und alles das, Erhab’nes, Großes, Kleines,
War einst ein Menschenleben und war deines!
Ja, hör‘, was heimlich Wissen dir verkündet:
Du schaust im allerletzten Augenblick,
Wenn Geistiges in seine Heimat mündet,
Noch einmal, wie es abrollt, dein Geschick,
Du schaust in der Sekunde des Hinüberschwebens
Den Film des eig’nen, wunderreichen Lebens!

Max Hayek

image: pixabay
Quellen:
♦ Siber, Stephan: „Max Hayek- Ein Wiener Schriftsteller, der zweimal Rudolph Steiner begegnete“; Schweizer Mitteilungen, I-2016, Seite 8 ff. (Die „Schweizer Mitteilungen“ sind das Publikationsorgan der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz)
♦  https://www.volkerkliem.de/das-leben-das-ich-selbst-gewaehlt-2/

(v.k.)

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