Januar, 2025
Unsere Griechenlandreise 2024 liegt bereits ein knappes Vierteljahr zurück. Damals für uns besonders beeindruckend: Die historischen Ausgrabungungen von Athen, Mykene, Olympia und Delphi mit ihren weltbekannten Funden und Artefakten.
Die im örtlichen Museum von Olympia gezeigten Ausstellungsstücke sind auch in deutscher Sprache beschriftet, die im Delphi-Museum dagegen in französischer. Viele andere lagern jedoch nicht einmal in der Nähe ihrer ursprünglichen Fundorte, sondern im Ausland. Speziell in französischen, englischen oder deutschen Museen wie dem Pariser Louvre, dem Londoner British-Museum oder dem Berliner Pergamon-Musum. Wie kann das sein?
Das Schicksal der griechischen Ausgrabungsfunde steht stellvertretend für viele Grabungen, die im wesentlichen am Ende des 19, Jahrhunderts auch in der Türkei, in Ägypten oder im Zweistromland durchgeführt worden sind. Dies wirft die Frage nach den Motiven der Archäologen auf, die ab Ende des 19. Jahrhunderts als Wissenschaftler oder Ausgräber längst vergangene Kulturen wieder auferstehen ließen.
Konkreter: Wie ist die Suche nach den alten Kulturen konkret abgelaufen? Wer überhaupt konnte im Ausland Ausgrabungen durchführen bzw. erhielt entsprechende Konzessionen? Wie waren die Regeln und wer bestimmte sie? Wem gehörten die gefundenen Schätze und- wie wurden sie geteilt?
Die Antwort auf diese Fragen liefert ein Buch (1), das insbesondere die Rolle der deutschen (!) Archäologie-Pioniere im Auftrage des dtsch. Kaiserreichs, sowie der Berliner Museen und der Deutschen Orient-Gesellschaft (DOG) in erstaunlicher Weise beleuchtet. Insbesondere in den Ländern und Provinzen des wirtschaftlich mit Deutschland verbundenen Osmanischen Reichs, welches gegen Ende des 19.Jahrhunderts politisch im Niedergang begriffen war (und zu denen bekanntermaßen auch das heutige Griechenland und die Türkei zählten). Unter Ausnutzung von dessen Abhängigkeit und mit dem Recht des Stärkeren wurden unzählige antike Objekte über Jahrzehnte hinweg durch politische Erpressung, einseitige Vorteilsnahme, Geheimabkommen, Bestechung, kriminelle Energien und Raub illegal aus den Ausgrabungsgebieten nach Deutschland verbracht. Tatsachen, die über intensive Archiv-Recherchen der Buchautoren nunmehr an das Licht der Öffentlichkeit gelangen.
So waren Insbesondere an der türkischen Ägäis-Küste zwischen 1871-1904 drei bekannte Archäologen und Ausgräber im Auftrag des deutschen Reiches auf Beutezug:
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Heinrich Schliemann von 1871-1876 in Troja und Mykene,
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der deutsche Bauingenieur Carl Human von 1878-1879 in Pergamon und
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Theodor Wiegand von 1855-1904 in Priene, Milet und Didyma.
Auch an den von uns besuchten Ausgrabungsorten in Griechenland (s.o.) wurden parallel und etwa zur gleichen Zeit systematische Untersuchungen, Vermessungen und Ausgrabungen durch deutsche Expeditionen durchgeführt. Hier insbesondere
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(und im Anschluß an eilige Grabungen durch französische Historiker und Archäologen im Jahre 1829) durch den deutschen Archäologen und Althistoriker Ernst Curtius sowie den Architekten Wilhelm Dörpfeld ab 1875 in Olympia. Seit dieserZeit gibt es in Olympia ein exklusives Grabungsrecht zwischen dem deutschen Archäologischen Institut und der Griechischen Museumsbehörde
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in Nachfolge des britischen Adligen, Sammlers und Kunsträubers par excellence Lord Elgin (ab 1802) durch den deutschen Geschäftsmann und Amateurarchäologen Heinrich Schliemann ab 1876 in Mykene
Weiter östlich, im antiken Mesopotamien des heutigen Irak, wurden die Grabungen
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zwischen 1899-1917 durch den Architekten und Baukundler Robert Koldeway in Babylon und zwischen 1905-1913 durch den Archäologen Walter Andrae in Assur geleitet
Im mittleren Ägypten war neben vielen anderen
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der leidenschaftliche Ägyptologe Ludwig Borchardt unterwegs, der im Jahre 1912 die Grabungskonzession für die Gebiete um Theben und Amarna erhalten hatte
Diese Liste ist nicht vollständig, dafür jedoch die Tatsache, daß unermessliche Schätze und weltbekannte Funde aus diesen Grabungsgebieten heut im Besitz großer deutscher Museen in Berlin bzw. des Puschkin-Museums in Moskau (Priamos-Schatz) sind. Dazu zählen insbesondere der Goldschatz des Priamos, der Pergamonaltar, das Markttor von Milet, das Ischtar-Tor, die Babylonische Prozessionsstraße, die Büste der Nofretete u.v.a.m.). In diesem Kontext sicher nicht uninteressant: Schon in seinem Buch „Ilios, Stadt und Land der Trojaner“ hatte Heinrich Schliemann den illegalen Schmuggel von mehr als 8.000 Kleinfunden nach Deutschland zugegeben, eine Zahl, die nachweisbar um ein Vielfaches höher liegt. Das 1873/1874 durch die damalige türkische Regierung angestrengte Klageverfahren gegen ihn war übrigens der erste Restitutionprozess in der neueren Geschichte…
Wem gehören die im ehemaligen Osmanischen Reich ausgegrabenen und bis dato in den europäischen Museen ausgestellten Schätze der Antike nun wirklich? Ist ihr Aufenthaltsort dort legal oder nur temporär? War es „Rettung“ vor der Zerstörung- so die Argumentation damaliger Schatzsucher- oder Kunstraub? Wie sind die o.g. Tatsachen heut zu bewerten?
Die trickreiche Verschleierung von Grabungsfunden und der Abtransport der Kunstschätze mit den dazu angewandten fragwürdigen Praktiken bewegen sich aus heutiger Sicht nicht nur am Rande der Legalität, sie sind m.E. skandalös und auch völkerrechtlich inakzeptabel. Die in den deutschen Museen (siehe Pergamonmuseum: Antikensammlung, Vorderasiatisches Museum und Ägyptische Sammlung) zurückgehaltene Raubkunst befeuert aktuell und völlig zu Recht die Diskussion um ihre Restitution, also die Rückgabe der gestohlenen Kulturgüter.
Zum Nachlesen:
(1): „J. Gottschlich, D.Zaptcioglu-Gottschlich: „Die Schatzgräber des Kaisers“, Aufbau-Verlage GmbH & Co.KG, Berlin, 2021
(2): https://taz.de/Antikes-Erbe-aus-dem-Mittelmeerraum/!5799636/
(4): https://www.wallstein-open-library.de/openaccess/9783835355002-oa.pdf
(5): https://de.wikipedia.org/wiki/Provinzen_des_Osmanischen_Reiches#Europa
karten-image: pixabay
(v.k.)