16.04.2021
„Es war einmal ein Land, das sich im Erfolg sonnte…
Ein Land, das im Konzert der Staaten vorne mitspielte. Das seinen Einwohnern ein sehr viel besseres Leben bot als die meisten anderen Orte auf der Erde. Dessen Führung Sicherheit, Verläßlichkeit und Stabilität garantierte.
Das war Deutschland, aber das ist vorbei. Ein Jahr Weltkrise hat genügt, um uns die bittere Erkenntnis vor Augen zu führen: Im globalen Maßstab sind wir derzeit allenfalls mittelmäßig unterwegs. Trotz unseres Reichtums, trotz unserer robusten Demokratie, trotz all der einfallsreichen, einsatzbereiten, kreativen Bürger stecken wir knietief im Corona-Schlamassel und vermögen uns nicht daraus zu befreien. Wir tun zu wenig gegen das Virus und was wir tun, tun wir chaotisch. Das ist keine Schwarzmalerei, sondern eine nüchterne Bestandsaufnahme. Die Corona-Beschlüsse sind nicht mehr zu verstehen, sie mäandern zwischen Hü und Hott, und ein entscheidender Grund dafür ist die mangelnde Führung. Das Dirigentenpult im föderalen Konzert der Länder ist leer. Deshalb fideln alle wild durcheinander, bis keiner mehr zuhören mag. Mit dem deutschen Bundesstaatprinzip läßt sich diese Kakophonie schon längst nicht mehr erklären.
„In der Pandemie-Politik herrsche Anarchie“, kommentiert die Frankfurter Rundschau: „Die eine Region macht die Geschäfte auf, die andere verhängt Ausgangssperren. Morgen könnte es umgekehrt sein. Daß den Bürgern viel zu wenig erklärt wird liegt nicht daran, daß die Politik ihre Entscheidungen nicht erklären will. Sie kann es nicht mehr, weil so vieles nicht mehr zu erklären ist. Die Entscheider in Bund und Ländern haben das Heft des Handelns ebenso verloren wie den Überblick. Sie üben sich seit Wochen im Gegeneinander statt im gemeinsamen Handeln. Sie taumeln wie beschwipste Matrosen über ein sinkendes Schiff und der Kapitän weiß nicht mehr, wo das Steuer ist.“
♦ Die schleppende Immunisierung der Bevölkerung ist ein Armutszeugnis für die verantwortlichen Politiker in einem -vermeintlich- perfekt durchorganisierten Staat! Denn: Unsere Regierung hat auf den entscheidenden Feldern der Pandemiebekämpfung versagt und kann es bis zum heutigen Tag nicht. Sie sollte einmal über den eigenen Tellerrand schauen und sich weitere Hilfe holen. Hilfe und Unterstützung von denen, die nachgewiesene Kompetenzen haben bei der der Beschaffung und der Planung von Komponenten in großem Maßstab. Nicht in den eigenen Ministerien und seinem trägen Beamtenapparat, sondern in der Transportwirtschaft, den Pharmafirmen oder auch dem Militär (in den USA z.B. liegt die operative Impfbeschaffung auch nicht beim Gesundheitsminister, sondern im Logistikbereich der Armee). Kaum bekannt dürfte sein, daß z.B. der Mainzer Impfstoffhersteller BIONTECH unter Hochdruck eine für das bundesweite Impfstoffmanagement einsetzbare Software entwickelt hat. Und: Daß die Bundeswehr es kann, zeigt ihr monatelanger und erfolgreicher Einsatz in den Impfzentren unseres Landes!
Dazu Altbundeskanzler Gerhard Schröder, der die Defizite in erster Linie an die EU adressiert: „Die Menschen erwarten Führungsfähigkeit. Alles nur über Dialog zu lösen, wird nicht funktionieren. Vielleicht wäre es ganz gut, manchmal zu sagen, wo es langgehen soll. Auch die Impfbeschaffung ist ein riesiges Dilemma. Daß die europäische Kommission so amateurhaft verhandelt hat, das zeigt Staatsversagen. Die Kommission hat bewiesen, dass sie es nicht kann. Das war Unfähigkeit. Es ist an der Zeit, endlich das zu tun, was von den meisten Wissenschaftlern seit Wochen eingefordert wird, um die teuflische Dynamik des Virus`zu brechen: Ein harter, aber kurzer Lockdown für das ganze Land und danach eine langsame und koordinierte Öffnung. Mit damit verbundenen und verpflichtenden Schnelltests überall, vor allem in Schulen, Kitas, Büros, Betrieben und Geschäften.“
♦ Nach meinem Verständnis gehört dazu -und dringend über diese Maßnahmen hinaus- eine verbesserte Organisation beim Impfen: Ohne endlose Telefon-Warteschleifen und ohne die sklavischen Befolgung von Alterskategorien, wenn Dosen übrigbleiben. Wenn wir Jüngeren bei diesem Wirrwar schon Probleme haben, wie sollen dann Ältere und Alte ohne „Industrie 4.0-Affinität“ dieses Chaos meistern? Das in Zement gegossene Gebot mit der sperrigen Bezeichnung „Priorisierungsvorgaben der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2“ hemmt mittlerweile das Impftempo in unserem Land. Es sollte gelockert werden genau so wie die bisherigen Praxis, eher Vakzine verfallen zu lassen als Mitbürger, die „noch nicht an der Reihe sind“, zu bedienen (es könnte sich ja jemand beschweren, oder, schlimmer noch, dagegen klagen…). Eine Erkenntnis aus dieser Fehlerdiskussion ist sicher die notwendige Anwendung bundesweit einheitlicher(!) Regeln, da nur so Maßnahmen für die Öffentlichkeit nachvollziehbar werden!
♦ Die Welt steht auf dem Kopf: Die bisherige Nähe der Menschen zueinander mußte der Distanz weichen. Abstand wurde ein Zeichen für Nähe. Denn: Wem man verbunden ist und wen man wirklich liebt, den besucht man nicht. Das Miteinander ist neu geregelt worden- von Politikern auf Basis wissenschaftlicher Ratschläge und (meist) im Glauben daran, das Beste für die Gesellschaft zu tun. Innerhalb kurzer Zeit ist passiert, was man für unmöglich gehalten hat: Die Schulpflicht wurde bis heute ausgesetzt. Die Grundlagen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs wurden ausgehebelt, Läden und Firmen bleiben geschlossen, Theater bleiben leer, die Kinosäle dunkel, die Orchester sind verstummt. Zehntausende Firmen bangen um ihre Existenz, trotz Corona-Hilfen müssen Unternehmer zusehen, wie ihr Lebenswerk jedenTag ein Stück weiter zerstört wird.
♦ Früher haben die Menschen das pragmatische Handeln ausnehmend gut beherrscht. Ohne ihr „yes, we can“ und ihre hemdsärmelige Anpacker-Mentalität hätte die Nachkriegsgeneration ihr Deutschland nicht so erfolgreich wieder aufgebaut. Heute ist Deutschland gefesselt von Zauderern, Bedenkenträgern, Schwätzern und Bürokraten. Und von Dilettanten und -innen, die es nicht besser können. Aber leider auch von Raffkes, Lobbyisten und und Politikern, die sich an der Not-Situation im Lande persönlich bereichern: An Ausrüstung, Schutzmasken, Testequipment und anderem. Den Auftrag ihres geleisteten Amtseids, „…dem Wohle des deutschen Volkes zu dienen…“, haben sie wohl mehr oder weniger ausschließlich auf ihre persönliche Geldbörse bezogen! T-Online-Recherchen haben z.B. jahrelange Parallelen zwischen politischer und privater Agenda unseres Gesundheitsministers offengelegt. Dazu Fabio de Masi, Finanzexperte der Linken im deutschen Bundestag: „Jens Spahn folgt einer klaren Investmentstrategie und macht alles, was es in der Politik anzufassen gibt, auch privat zu Geld. Er gehört entlassen! Wie brauchen knallharte Transparenz für Abgeordnete wie in anderen Ländern.“
♦ Heute sterben gute Ideen im Paragraphen-Dschungel, viele neue Ideen und Impulse werden so lange mit kleinlichen Vorschriften bombardiert, bis nur noch Rudimente davon übrig sind. Die Corona Warn-App ist nicht wirkungsvoll genug, weil sie auf Druck unserer Datenschützer und ihrer einflußreichen Lobby auch auf zu wenige Daten zugreift. Ein positiver Test kann, muß aber nicht gemeldet werden; auch die Nachverfolgung kann verweigert werden. Gemäß Erhebung vom September 2020 meldet nur die Hälfte aller Nutzer ihren positiven Test auch wirklich an! Hinzu kommen technische Fehler und Kompatibilitätsprobleme bei IOS- und Android-Betriebsystemen… Ergo: Die eingeleitete Digitalisierung verlangt zwingend nach Effektivität(!) und einer neuen Gewichtung zwischen Daten- und Gesundheitsschutz, und dies pragmatisch zugunsten des Gesundheitsschutzes!
♦ Unsere Familie (und viele Freiberger ebenso) hat während der zweiten Pandemie-Welle die Bestimmungen der (sächsischen) Pandemieverordnung zum 15km-Bewegungsradius mit dem Zirkel auf der Landkarte vermessen. Weiter als bis Frauenstein/Erzgebirge ab Freiberg durften wir nicht. Das war bitter und sicher auch kein Highlight, doch wir haben uns an diese Regeln gehalten. Deutsche Gerichte dagegen kippen Aufmarschverbote von Corona-Leugnern und diversen Querdenkern in deutschen Großstädten, in denen sich Zigtausende (!) einen Dreck um Rücksichtnahme, Ansteckung und Schutzverordnungen scheren. Die Polizei ist überfordert und agiert oft machtlos. Unfassbare und einem gesunden Menschenverstand nicht mehr vermittelbare Entscheidungen (rechts-)staatlicher Instanzen sind an der Tagesordnung. Es scheint, als leben Bevölkerung und diejenigen, die sie schützen sollen, in unterschiedlichen Welten. Alles nur bedauerliche Pannen, fortwährende Blindheit auf dem rechten Auge oder -was schlimmer wäre- systembedingte Agenda unseres Rechtswesens? Eine Antwort darauf und auf den kaum nachvollziehbaren Alltag in Polizei und Justiz liefert der Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel: „Die Zustände sind besorgniserregend. Seit Jahren sind Polizei und Justiz dramatisch unterbesetzt. Tatverdächtige werden aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Anteil aufgeklärter Straftaten geht zurück, Haftbefehle werden nicht vollstreckt. Diebstähle, Betrügereien, Körperverletzungen -all das bleibt oft ungestraft, selbst wenn wir die Beschuldigten kennen. Die Verfolgung und Bestrafung von schweren Straftaten sind nicht mehr sichergestellt. Gerichte müssen wegen ihrer Überlastung milde urteilen, um Verfahren abzukürzen. Die Folge: Immer mehr Menschen verlieren das Vertrauen in unser Rechtssystem“. No comment.
♦ Nach anfänglichen Erfolgen herrscht bei vielen Deutschen aktuell nur noch eines, nämlich Unverständnis und Frust: Unsere Demokratie kommt seit einer gefühlten Ewigkeit mit der Pandemie-Bedrohung nicht mehr zurecht. Sie geht zu viel Kompromisse ein, scheut sich vor der konsequenten Umsetzung wissenschaftlicher Expertisen und beweist zu wenig an Disziplin. Sie zerreibt sich in endlosen Diskussionen um den besten Weg, ihr fehlen Strategien und Konzepte.
Die Folge auch von deutscher Überregulierung, Behörden-Gründlichkeit, Behäbigkeit und Großmäuligkeit treten in der Pandemie nun schonungslos zutage:
- Insbesondere das Mißtrauen gegenüber den eigenen Mitbürgern (Stichwort: Impfen durch die Hausärzte)
- eine überboardende Bürokratie und Paragraphendiktatur und die Selbst-Fesselung durch unzähige Vorschriften
- die Überforderung der Gesundheitsämter und Behörden auch durch ihre technische Ausstattung („frühes FAX-Zeitalter“ anstatt Hochdigitalisierung wie in Israel o.a.)
- davon abhängig das Fehlen einheitlicher Schnittstellen, Standards und Technologien zwischen länderübergreifenden Verwaltungen und Dienststellen
- das Ausbremsen von wissenschaftlich begründeten Maßnahmen durch einen Flickenteppich an länderspezifischen Verordnungen, Anweisungen und Interpretationen u.v.a.m.
Dabei gibt es Staaten, in denen das Impfregime -auch unkompliziert- funktioniert und deren know how man „anzapfen“ könnte. Ich denke an demokratischen Staaten im nahen und ferneren Osten (Israel, Südkorea, Taiwan, Neuseeland), an Großbritannien oder die USA.
♦ Die Büchse der Pandora ist -durch wen auch immer- auf unserem Globus geöffnet worden und es bleibt unser aller Vernunft überlassen, sie wieder zu schließen. Zur Vernunft gehört allerdings auch die notwendige Impfbereitschaft. Eine generelle Piks-Verweigerung wegen Dummheit, gut maskiertem Egoismus oder abstruser verschwörungstheoretischer Bedenken ist nicht nur unsolidarisch, sondern auch ignorant. Denn: Damit wird der sichere Weg der Gemeinschaft zur Überwindung der Pandemie in verantwortungsloser Art und Weise ausgehebelt. Auch die Nichtnutzung großer Mengen der knappen Vakzine wegen persönlicher Impfstofftyp-Präferenzen gehört nicht dazu. Wenn doch, ist der Leidensdruck nach mehr als einem Jahr unter der Käseglocke noch immer nicht groß genug.
♦ Die Hauptvorwürfe an die Politik sind Versagen und Feigheit: Das Versagen bei der Umsetzung ihrer Führungsaufgabe in dieser Krisenzeit. Und die Feigheit, unbequeme Wahrheiten mit möglicherweise unpopulären Entscheidungen zu verbinden. Nein, es sind keine Profis, die die Bevölkerung in unserem Land von einer Enttäuschung in die andere führen. Mit „Bla-bla-bla“, einer nicht vorausschauenden und einer ausschließlich vom „Prinzip Hoffnung“ getragenen Gesundheitspolitik sind mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere CORONA-Tote vorprogrammiert.
♦ Für uns persönlich sind es ein bis zwei Jahre, die uns durch die Pandemie gestohlen werden und das nehme ich der Krankheit echt übel. Und es ist noch nicht das Ende! Drei wichtige Erfahrungen jedoch verbleiben: Skepsis, ein immenser Vertrauensverlust und das ungute Gefühl, in dieser Krise grottenschlecht regiert worden zu sein…
Textzitate (blau) aus folgenden Quellen:
- Gerhard Schröder/Florian Harms in T-Online: „Die 3-T-Strategie“: Podcast zur Corona-Politik der Bundesregierung/Meinung und Tagesanbruch vom 20.03.2021
- Florian Harms in T-Online: „Wir ersticken in Bürokratie“/Tagesanbruch vom 20.03.2021
- R. Knispel, H. Gronemeier: „Rechtsstaat am Ende-Ein Oberstaatsanwalt schlägt Alarm“, Ullstein Verlag 2021
- Jonas Mueller-Töwe in T-Online: „“Gehört entlassen“-„Nichts Verwerfliches“ vom 29.03.2021
Images: Pixabay
(v.k.)