Sonntag, 15.01.2017
Wenn in nördlicher Richtung der Autobahn A9 kurz vor dem Dreieck Potsdam die Abfahrt „Beelitz Heilstätten“ auftaucht, muß man den Fuß nicht unbedingt vom Gaspedal nehmen. Es sei denn, man ist in dieser waldreichen Gegend südwestlich von Berlin ansässig. Oder aber- und darauf will ich hinaus- man kennt das Arsenal der einstigen Lungenheilstätte noch nicht und möchte es kennenlernen: Insbesondere dessen Geschichte, seine Erbauung und seine Rolle bei der Behandlung der „Schwindsucht“, der zum Ende des 19. Jahrhunderts grassierenden Volkskrankheit Tuberkulose.
Zur Eindämmung und Bekämpfung dieser gefürchteten Seuche wurde 1902 der erste Komplex der Beelitz-Heilstätten übergeben. Entworfen und erbaut auf einer aufgekauften Fläche von ca. 140 Hektar inmitten der Beelitzer Wälder. Aus den für Männlein und Weiblein streng getrennten Klinikbereichen (Lungenheilstätten und Sanatorien) entwickelte sich in Folge das flächenmäßig größte Heilstätte für Lungenkrankheiten in Deutschland.
Männersanatorium: Das Badehaus außen…
…und von Innen
Dies mit für damalige Verhältnisse moderner Infrastruktur und medizinisch-technischer Ausrüstung. So entstand eine autarke, lebenstüchtige Kolonie aus Chirurgie, Krankenhäusern, Kureinrichtungen, Badehäusern, Küchen- und Wäschereigebäuden, Gärtnereien, Werkstätten usw. . „Das Teuerste ist das Billigste“ war für die LVA Berlin als Bauherrin eine der Devisen für das Gesamtkonzept der Anlage. Auch heute noch an den Gebäuden im Architekturstil englischer Landhäuser zu bewundern: Klinker, Stufen und Fliesen nur aus bestem Material (Villeroy & Boch). Aufbauend auf wirksamen Therapiemethoden und sehr guten Hygienebedingungen, einer Kapazität von 1200 Betten und einer Patienten-Aufenthaltszeit von 6 bis max. 26 Wochen hoffte man, die gefährliche Volksseuche ein- für allemal ausrotten zu können.
Alles zum heilmedizinischen Bereich, aber auch zur weiteren Geschichte der Heilstätten als Militärstandort und zur Bedeutung zwischen 1945-1994 (sowjetisches Militärhospital) ist während einer sehr interessanten und kompetenten Führung vor Ort zu hören, zu sehen und zu erleben.
Männersanatorium: Sowjetisches Sanitäter-Denkmal
Viele der einzigartigen Bauwerke (ca. 60 Zweckbauten) liegen heut brach. Zerstört nicht durch kriegerische Handlungen oder in ihrer Nutzung als Armeehospital bis zu Anfang der `90-iger Jahre. Nein, verfallen und zerstört im wesentlichen durch Nichtnutzung und Vandalismus nach erfolgter Rückgabe im Jahre 1992 an die einstige Eigentümerin (LVA Berlin)!
Seither gab/gibt es umfangreiche Konzepte und Planungen für eine Neunutzung, verbunden mit dem Wiederaufbau und der Sanierung des unter Denkmalschutz stehenden Areals. Doch alles hat seinen Preis, wobei ein tragbares Nutzungskonzept (und der politische Wille des Landes) vorhanden sein müssen. Was wird in zehn Jahren noch zu sehen sein?
Respekt an dieser Stelle den bislang erfolgten Projekten und kostspieligen Maßnahmen (privatisierte Einzelgebäude, moderne Wohnsiedlung, Künstlerdorf „Refugium Beelitz“, Heilstättenpark mit Baumkronenpfad usw.).
Bei Interesse also: Abfahrt „Beelitz Heilstätten“ nicht verpassen…
(vk)