28.04.-09.05.2024
„Die Loire ist mehr als ein Fluß- sie ist ein Mythos. Sie ist die Lebensader Frankreichs und ein Symbol für die Einheit des Landes, welches sie von Ost nach West durchströmt.
Mit ihren 1012 km ist sie der längste Fluß Frankreichs. Er entspringt südlich der Stadt Le Puy im Zentralmassiv, gräbt sich durch hartes Vulkangestein, um bei Nevers ins Pariser Becken abzubiegen und in einem breiten Bett, begleitet von Auenwäldern und feuchten Wiesen, bei St. Nazaire dem Atlantik zuzuströmen. Daß sie in ihrer Schönheit und Natürlichkeit bewahrt wird, ist nicht zuletzt der Umweltorganisation „SOS Loire Vivante“ zu verdanken. Die großen Nebenflüsse der Loire, d.h. Loir, Cher, Indre, Vienne und Maine vervollständigen ihren Lauf und umreißen ein großes, reiches und durch seine Geschichte geeintes Territorium.
So war Orléans im 7. Jhd. Hauptstadt des Frankenreiches. Im Hundertjährigen Krieg (1337-1453) gegen England flüchtete sich der König von Paris aus an die Loire und schließlich nach Bourges. Damit regierten zwischen dem 15. und 16. Jhd. die französischen Könige das Land von den Loire-Schlössern aus. In dieser Zeit avanvierte die Loire zur Heimat der Regenten Frankreichs und des französischen Adels, zum „Tal der Könige“. Seine landschaftliche Schönheit und die guten Jagdmöglichkeiten lösten einen Bauboom ungeheuren Ausmaßes an. Wie geschliffene Diamanten schmücken rund 400 Schlösser den Saum der Loire und ihrer Nebenflüsse und entführen in die Renaissance, die Epoche von König Franz I., Katharina von Medici und Diana von Poitiers. Neben diesen Prunkbauten sind die großzügig angelegten Parkanlagen und prächtigen Gärten berühmt und sehenswert. Daneben lockt das Tal- heute übrigens UNESCO-Weltkulturerbe- mit grandiosen Kirchen, Klöstern, Châteaus und Museen. Alle großen Schlösser sind heute Museen und für Besucher zugänglich. Manche gehören dem Staat, andere befinden sich in Privatbesitz.
Das Land der Loire-Schlösser erstreckt sich über fünf historische Provinzen und ihre Regionalhauptstädte: Orléanais mit Orléans, Blésois mit der alten Königsstadt Blois, Touraine mit Tours, Saumurois mit Saumur, Anjou mit Angers und Pays Nantais mit Nantes.“ (Auszüge aus (1), (2) und (3)).
Wir sind vom 28.04.-09.05. 2024 auf dem mittleren Teil das Loire-Tals zwischen Orléans und Tours unterwegs. Shippern auf dem Strom ist nicht möglich, da der schnellfließende Fluß (bis auf wenige Abschnitte ab Nantes) zwar breit und mächtig, aber für den größeren Schiffsverkehr zu flach ist. Typisch: seine ständig wandernden Sändbänke. Wenn wir an 10 Tagen unserer privaten PKW-Tour fünf Stadte mit ihren historischen Altstädten und Châteaus (ORLÉANS, BLOIS, CHINON, LOCHES, TOURS) und 7 Schlösser/Abteien (CHAMBORD, CHEVERNY, CHAUMONT, VILLANDRY, AZAY-LE-RIDEAU, FONTEVRAUD und CHENONCEAU) besuchen konnten, spricht das sicher auch für keine schlechte Reisevorbereitung/Logistik im Vorfeld…
ORLÉANS
Die Stadt Orléans lebt von seiner Historie und vom Nationalmythos Jeanne d’Arc, die seit dem 15.Jhd. als Symbolfigur des französischen Widerstandes gegen ausländische Besatzer gilt und hier in großartiger Art und Weise verehrt wird. Besonders sehenswert in der Universitätsstadt Orléans (die Uni wurde 1230 als Zentrum der Rechtswissenschaften gegeründet): Seine Prachtstraßen aus dem 19. Jhd., seine malerischen Fachwerkhäuser und der Place de Martroi mit der bronzenen Reiterstatue der heiligen Johanna.
Die Königsstadt BLOIS
Im 10. Jhd. errichteten die Herzöge von Blois auf dem nördlichen Ufer der Loire und dem bewaldeten Hügel eine erste Burg. Sie wurde 1498 mit der Krönung von Ludwig XII. zur Königsresidenz. Die prachtvollen Palais der reichen Beamten und Kaufleute des Königshofes zeugen noch heute von dieser Blütezeit. In der zweiten Hälfte des 16. Jhd. litt die Stadt unter den Gräueln und Verwüstungen der französischen Religionskriege (Bartholomäusnacht).
CHÂTEAU DE CHAMBORD
Das prächtige Jagdschloß von König Franz I. (1494-1547) in den Wäldern der Sologne gilt für viele als das schönste Schloß der Loire. Das größte und prunkvollste ist es allemal. Es überragt alle anderen allein durch seine Größe. Mit seinen 426 Räumen ist es ein raffiniert arrangierter und auf einer mittelalterlichen Modulbauweise basierender Neubau (Bauzeit ab 1519). Eine Besonderheit: Die Doppelwendeltreppe, die auf einer Idee Leonardo da Vincis beruht und bei der zwei Personen, die gleichzeitig auf- und abschreiten, sich weder sehen noch einander begegnen…
CHÂTEAU DE CHEVERNY
CHÂTEAU DE CHAUMONT-SUR-LOIRE
Hohe Mauern, dicke, runde Türme, Pechnasen, Graben und eine Zugbrücke verleihen dem Château Chaumont-sur-Loire auf einer Uferanhöhe der Loire ein wehrhaftes Äußeres. Es wurde zwischen 1465 und 1510 erbaut und im Jahre 1560 von der verwitweten Königin Katherina von Medici gekauft. Eine ihrer berühmtesten Besucherinnen: Diana von Poitiers, die Mätresse ihres verstorbenen Gatten Heinrich II. (1519-1559). Darüberhinaus die von Napoleon aus Paris verbannte Schriftstellerin Madame de Staël und die deutschen Romantiker A.W. Schlegel und A. v. Chamisso. Chaumont ist heute Ausstellungsgelände für das alljährliche „Festival International des Jardins“ und der modernen Kunst. Und: Es ist (in meinen Augen) das schönste Ensemble aus Renaissanceschloß und Landschaftspark, das ich im Rahmen dieser Reise bewundern durfte.
CHÂTEAU DE VILLANDRY
Nach Villandry kommt man wegen der Gärten. Blumenarrangements mit Liebesmotiven, duftende Kräuterbeete und ein kühlender Wassergarten- und das alles terrassenartig angelegt: Das 1536 vollendete Schloß Villandry mit seinem Renaissancegarten ist ein Muß nicht nur für Gartenliebhaber. Der beste Blick auf die drei Gartenterrassen bietet sich vom hohen Bergfried aus.
CHÂTEAU D’AZAY-LE-RIDEAU
Harmonische Proportionen kannzeichnen das Schloß Azay-le-Rideau, das der Schriftsteller Honore de Balzac mit einem geschliffenen Diamanten verglich. In den Jahren 1519-1524 als Trutzburg errichtet, stellt sich das Château heut als Wohnpalast mit monumentaler Freitreppe und aufwendig ausgestatteten Innenräumen dar:
Kloster FONTEVRAUD- L’ABBAYE
Zwischen Saumur und Chinon liegt in einm Bachtal eines der größten und mächtigsten Klöster des Abendlandes: Die Abbaye Royale de Fontevraud. Das Kloster in der Provinz Anjou war neben Cluny im Burgund und der Grande Chartreuse bei Grenoble ein gemischtes Kloster für Männer und Frauen, die nach Gründung des Doppelordens der Fontevristen im Jahre 1101 nach der Benediktinerregel lebten; allerdings stets von Fauen geleitet wurden. Die Führung des Klosters oblag im Laufe der Zeit insgesamt 35 Äbtissinen aus königlicher bzw. adliger Herkunft. Kern der riesigen Anlage ist die Abteikirche aus dem 12. Jhd. Hier liegt der bedeutendste englische Herrscher des Mittelalters mitsamt seiner Familie begraben: Heinrich II. Plantagenet (gestorben 1189), seine Gattin Eleonore von Aquitanien, beider Sohn Richard Löwenherz (englischer König von 1189 bis1199) sowie Isabelle von Angoulême, Gemahlin von Johann Ohneland, des jüngsten Sohnes von Heinrich und Eleonore.
Die Königsstadt CHINON
Das Panorama der historischen Stadt Chinon mit der an einem Felsplateau thronenden Burg zählt zu den eindrucksvollsten an der Loire. Die aus dem 10. Jhd. stammende Festung besteht aus drei durch Gräben zerschnittenen Teilen (dem Fort Saint-Georges, der Mittelburg und dem Fort Coudray) und war zeitweise im Besitz des enlischen Königs Heinrich II. Plantagenet. Sie diente Karl VII. nach seiner Vertreibung aus Paris ab 1427 als königlicher Hof und war historisch belegter Ort einer bedeutenden Episode französischer Geschichte: des ersten Treffens mit Johanna von Orléans. Sie bestärkte ihn darin, sich als rechtmäßiger König von Frankreich zu betrachten. Chinon wurde so zur „Hauptstadt eines wiedergefundenen Königreichs“. Von dem großen Saal dieser Begegnung ist nur noch die Kaminwand erhalten.
CHÂTEAU DE CHENONCEAU
Wie ein Traum aus Stein schwebt Chenonceau über dem Wasser des Loire-Nebenflusses Cher. Das einstige Lustschloß zieht jährlich ca. 800.000 Besucher aus der ganzen Welt an. Die berühmtesten Besitzerinnen des „Chateau des Dames“, des „Schlosses der Damen“, waren Diana von Poitiers, Katharina von Medici, Louise von Lothringen und Madame Dupin. Katherina ließ 1570-1576 die Brücke über den Cher zu einer 60m langen Galerie überbauen- sein unübersehbares Wahrzeichen. Während der deutschen Besatzung in den Jahren 1940-1942 war diese Galerie Fluchtweg zwischen dem besetzten Gebiet und der freien Zone am südlichen Cher-Ufer: Chenonceau wurde zum Symbol des geteilten Frankreichs. Die reich ausgestatteten Innenräume mit fein geschnitztem Mobilar, edlen Wandteppichen und elegantem Blumenschmuck konkurrieren mit den Gärten des Schlosses, die von den Hochwässern des Cher durch erhöhte Terrassen geschützt sind.
Die Festungsstadt LOCHES
Das Städtchen im Tal der Indre besitzt eines der bedeutendsten mitelalterlichen Ensembles von Frankreich: Die „Cité Médiévale“. Eine Stadt in der Stadt, umgeben von einem fast 2km langen Schutzwall. Die herausragenden Bauten dort: Der Donjon, ein wuchtiger Bergfried, die romanische Stiftskirche Saint-Ours und das Logis du Roi, das königliche Wohnhaus. Zu den Besitzern der Burganlage zählten im 12. Jhd. Heinrich II. Plantagenet, Graf von Anjou und König von England, danach gehörte sie den französischen Königen. Im 15.Jhd. residierten hier Karl VII. mit seiner schönen Mätresse Agnès Sorel und später Ludwig XII.
TOURS
Die lebendige Universitätsstadt Tours, Stadt des hl. Martin mit einem großen Ensemble an mittelalterlichen Bauten, eignet sich ideal als Ausgangspunkt zur Besichtigung der Loire-Schlösser. Aus der römischen Stadt Turonum erwuchs im 4. Jhd. das gleichnamige Stadtviertel um seine Martinsbasilika. Unbedingt sehenswert und auch durch uns neugierig erkundet: Die Kathedrale Saint-Gatien mit 300-jähriger Bauzeit (ab 1236 begonnen), die Basilique Saint-Martin, die historischen engen Gassen und Strassen der Stadt und ihr berühmter Place Plumereau.
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Bearbeitete Auszüge und Texte aus (1)…(3)
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Karten-image: pixabay und © Wikipedia Commons CC-BY 2.5/Matthias Kabel @ France map with Loire highlighted.jpg
zum Lesen/Anschauen:
- „Die Schlösser an der Loire“, Production Leconte, Verlag Valoire-Estel, Blois, 2023
- „Tal der Loire“, DuMont Reiseverlag, Ostfildern, 2016
- ADAC Tourset/Urlaubsführer: „Tal der Loire“
(v.k.)