3.-11. September, 2024
Allein über die Alpen- es ist geschafft !
Zum MYTHOS Alpenüberquerung
Zugegeben: Wir zwei haben uns schon lange mit dem Thema Alpenüberquerung beschäftigt. Verrückte Ideen kann man ja immer spinnen. Wenn (!), also wenn wir es wirklich angehen würden, so sollte es ein Abenteuer werden, das uns nicht nur ein wenig, sondern ganz fordert: Physisch, mental und emotional. Einmal im Leben die Alpen überqueren und mit ureigener Energie und Beharrlichkeit das schaffen, was mit Auto, Bus oder Zug schon in ein paar Stunden möglich ist. Sicher für viele und auch für uns ein langgehegter Traum. Denn wir lassen wir uns ein auf ein Abenteuer inmitten der Bergwelt des Alpenhauptkamms, dessen Verlauf und (hoffentlicher) Erfolg im wesentlichen durch eigene Kraft und eigenen Willen bestimmt sein werden. Doch: Welche Risiken birgt so eine Reise und schätzen wir diese richtig ein? Haben wir uns umfassend vorbereitet? Mit welchen Unwägbarkeiten im Gebirge müssen wir rechnen und- was wichtiger ist- werden wir diesen begegnen können? Auch wenn die Monate August-September die beste Zeit für eine Alpenroute sind, extreme Wettereinbrüche und Schneefall unterhalb 2.000m sind hier nichts Außergewöhnliches. Und: Abbrechen ist die schlechteste aller Optionen…
In Hinblick auf körperliche Fitness, Ausdauer und Belastbarkeit bei den zu erwartenden Tages-Touren (Länge der Auf- und Abstiege, Distanzen, Gehzeit, Trittsicherheit) haben wir uns in den vorangegangenen Jahren im Gebiet der Allgäuer und Ötztaler Alpen bereits etwas näher umgeschaut. Genauer gesagt, wir haben uns nicht nur umgesehen, sondern sind einzelne Abschnitte des legendären E5-Fern-Wanderweges im oberen Ötztal selbst gewandert. So im Gletschergebiet des Rettenbachferners, von der Braunschweiger Hütte über das Pitztaler Jöchl, auf dem Venter Höhenweg oder von Zwieselstein zum Timmeljoch. Und haben sie für uns persönlich getestet, siehe (1),(2). Mit dem Ergebnis: Der E5 ist konditionell sehr anspruchsvoll, setzt allerdings auf Berghütten mit ihren Matratzenlagern, unvermeidlichen Katzenwäschen oder diversen Gerüchen im Schuhraum, die nicht so unser Ding sind. Berghütten sollten zudem bereits lange im Vorfeld reserviert werden. Auch die Vorstellung, 6-10 Tage mit schwerem Wandergepäck unterwegs sein zu müssen, ist nicht gerade die Verlockung pur.
Alternative Alpenüberquerungen im Vergleich zur Hauptroute des E5 (der übrigens in seiner vollen Länge über 600 km von Konstanz am Bodensee bis nach Verona führt), sind in (3) vom Magazin BERGZEIT im Detail analysiert. Sie kombinieren auf bekannten Wegen sinnvolle Etappen, gute Übernachtungsmöglichkeiten und reizvolle Alpenlandschaften miteinander. Zu den schönsten Wanderrouten mit weniger als 120km Gesamtlänge, einer Gehzeit unter 10 Tagen, einem Gesamtaufsteig unter 6.000 Höhenmetern und einem mittlerem Schwierigkeitsgrad (d.h. 3) gehören folgende: Spitzingsee-Sterzing, Tegernsee-Sterzing, Garmisch-Sterzing und Oberstdorf-Meran.
Die Tour im Überblick
Unsere Wahl: Eine Treckingtour von Oberstdorf nach Meran, individuell und ohne Guide sowie nur mit leichtem Tagesgepäck im 30l- Rucksack! Dazu: Übernachtungen mit Hotelkomfort (in den Tälern) incl. Transport unseres Zusatzgepäcks. Etwas Komfort darf es also in unserem Alter schon sein! Der geeignete Anbieter dafür: Die ALPINSCHULE INNSBRUCK. Durch ASI-Reisen bereitgestellt werden neben einer detaillierten Routenbeschreibung auch recht gutes Kartenmaterial sowohl eine detaillierte Wegeführung via Handy & GPS App. Im Nachhinein: Ohne GPS-orientierte Online-Navigation ist für uns eine alpine Tour schwer vorstellbar. Zumal mobile Handy-Daten nicht in jeder Region verfügbar sind. Ein weiteres Plus, das nicht bei jedem Anbieter verankert ist: Der Rücktransport via Shuttlebus zum Ausgangsort!
Und noch einen Vorteil haben wir, auch wenn seitdem schon viel Wasser die Rhone heruntergeflossen ist: Wir müssen uns ausschließlich um uns selbst kümmern! Nicht um alpin unerfahrene 50.000 Soldaten, Pferde und 37 Kriegselefanten, mit denen der kathargische Heerführer Hannibal im Jahre 218 v. Chr. von der iberischen Halbinsel aus über die Alpen zog. Seine Reisedauer über die von Wissenschaftlern favorisierte (südliche) Alpenroute von der Stadt Valence am linken Ufer der Rhone über den Col de Grimone und den Col de la Traversette betrug immerhin ca. 15 Tage (4). Doch das nur am Rande…
Unsere Wandertour liegt zudem viel weiter östlich, ist nicht einmal halb so lang und führt uns in einer reichlichen Woche vom Kleinwalsertal über das Lech-, Inn-, Ötz- und Passeiertal vom Allgäu nach Südtirol. Auf diesem Weg werden wir mehrere Pässe, Sättel und Bergrücken in den Allgäuer,- Lechtaler,- und Ötztaler Alpen passieren, bis wir schließlich am Timmelsjoch den Alpenhauptkamm von Tirol nach Südtirol überschreiten:
Die Tour in Etappen, mit wenig Text aber reichlich Bildern
Etappe1: Ankommen im Allgäu
8km, ⇑150m/⇓150m, 4:30h
Ankunft aus Freiberg via Oberstdorf im Kleinwalsertal, welches als österreichische Enklave straßenmäßig nur über Deutschland aus erreichbar ist. Im 1.100m hoch gelegenen Ortsteil Baad der Gemeinde Mittelberg ist verkehrstechnisch das Ende der Fahnenstange erreicht. Finito, um den Talschluß herum nichts als Berge, die vom Großen Widderstein (2533m) dominiert werden. Die Akklimation nach langer Anfahrt tut gut. Wir machen uns mit dem Transportmodus des Zusatzgepäcks und den zukünftigen täglichen Abläufen bekannt, checken die Ausrüstung, informieren uns über das morgige Wetter und parken unseren PKW für eine reichliche Woche. Hier beginnt morgen unsere Wanderung. PS: Die in den Etappen angegebenen Zeiten sind reine Gehzeiten.
Etappe2: Auf historischen Walserwegen vom Kleinwalsertal in das Lechtal
12km, ⇑800m/⇓300m, 5:30h
Die Wanderung führt uns von Baad aus über die Bärgunthütte und das Bärgunttal zum Hochalppaß. Vor uns liegt die beeindruckende Bergkette der Allgäuer Hochalpen. Nach dem Abstieg zur Jägeralpe am Hochtannbergpaß führt der Weg weiter nach Warth. Warth ist übrigens mit seinen 1495m die höchstgelegene Vorarlberger Gemeinde im Lechtal. Mit dem Lechtaler ÖPNV geht es in ca. 10min. über kleine Dörfer und Weiler zur ersten Übernachtung in Steeg:
Etappe3: Vom Lechtal ins Inntal
10km, ⇑950m/⇓400m, 5:30h
Ein Shuttle-Transfer bringt uns am frühen Morgen im engen Lechtal nach Bschlabs, wo der steile Aufstieg der heutigen Etappe beginnt. Auf dem Bschlabser Höhenweg Nr.616 steigen wir zur Anhalter Hütte auf. Ab hier geht es noch weiter hinauf: Das Steinjöchl markiert im weiteren Verlauf an dieser Stelle den Kamm der Lechtaler Alpen. Nun liegen 300m Steil-Abstieg zur Paßstraße am Hahntennjoch vor uns. Wenn man pünktlich ist, bringt der ÖPNV die Wanderer zum Etappenziel nach Imst/Karres im Inntal. Wenn nicht, muß man am Joch 3 Stunden bis zum nächsten (und letzten) Bus ausharren. Es sei denn: Man kann trampen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, denn die Paßstraße nach Imst ist lebensgefährlich schmal und äußerst serpentinenreich…
Etappe4: Hoch über dem Ötztal
13km, ⇑900m/⇓780m, 6:00h
Wir verlassen das Inntal. Bei Alpen-Bilderbuchwetter bringt uns der ÖPNV in südöstlicher Richtung nach 20min von Imst/Karres nach Umhausen im Ötztal. Über das Ötzi-Museums-Dorf und den Stuibenfall, den größten Wasserfall Tirols, führt uns die Wanderung nach Niederthai. Von hier aus weiter über die Jausenstation der Wiesle-Alm und der (unbewirtschafteten) Hemrach-Alm. Über einen steilen Abstieg geht es wieder hinab ins Tal der Ötztaler Ache nach Dorf-Espan und von dort in 20min mit ÖPNV zum Etappenziel Sölden.
Die Königsetappe: Über das Timmelsjoch vom Ötztal ins Passeiertal
16km, ⇑830m/⇓690m, 6:30h
Wenn (fast) noch alles schläft, bringt uns der ÖPNV am Morgen der 5. Etappe in 10min von Sölden nach Zwieselstein. Ab Haltepunkt Sahnestüberl (1656m) laufen wir die originale E5-Etappe auf der Paßsstraße gen Timmelsjoch. Es geht stetig nach oben. Wir passieren das Schmuggler-Denkmal und haben bei 2474m die berühmte Passhöhe am Alpenhauptkamm erreicht. Am Passo del Rombo überschreiten wir die Grenze von Österreich nach Südtirol, vom Ötztal ins Passeier. Das fast 40km lange Passeier Tal beeindruckt durch extreme Steilhänge, tiefe Täler und unzählige Wasserfälle, die von den Berghängen herabstürzen. Wir steigen das Passeier Tal hinab bis zum Albergo Hochfirst. Ab hier bringt uns der ÖPNV über St.Leonhard i.P. bis zum Etappenziel in St. Martin i.P.
Etappe6: Entlang der Waalwege vom Passeiertal nach Meran
18km, ⇑850m/⇓1160m, 06:50h
Der ÖPNV bringt uns in 12min von St.-Martin i.P. talauswärts nach Saltaus i.P. Das Gelände zu beiden Seiten der Passer besteht zum größten Teil aus Obst- und Apfelbaumhängen, die durch das alpin-mediterrane Klima Südtirols mit 300 Sonnentagen im Jahr optimale Wachstumsbedingungen haben. Wir wandern einen Höhenweg entlang, der dann in die Meraner Waalweg-Runde (Sentiere dÀcqua) übergeht. Über die Waale (ab dem 13. Jhd. künstlich angelegte Bewässerungskanäle) wurde bereits früher die Bewässerung der Landwirtschaft und der Obstanbaugebiete organisiert. Wir tangieren die Orte Riffian und Annaheim westlich der Passer bzw. Schenna auf der östlichen Seite. Nach dem Tiroler Kreuz bzw. Dorf Tirol fahren wir mit dem ÖPNV nach Meran.
Etappe7: Entspannung im malerischen Meran
Meran ist erreicht und damit auch das Ende unserer Alpentour. Das Ende einer erlebnisreichen Bergwanderung über große Höhen und Tiefen- im wahrsten Sinne des Wortes! Jede Etappe, die uns diesem Ziel näher gebracht hat, hatte ihr eigenes Profil und war geprägt durch deren ureigene Landschaft und Kultur. Wir werden hier vor Ort noch zwei Tage bleiben und dann mit dem Prenner-Bus-Shuttle über den Reschenpaß und den Fernpaß wieder nach Oberstdorf zurückkehren (Fahrzeit ca. 5:50h). In ein paar Tagen ist zudem eine globale, europäische Schlechtwetterfront mit Unwettern, Dauerregen und dem ersten Schnee im Hochgebirge angekündigt, nutzen wir die Zeit.
PS: Wenn ich die gemeinsame Analyse unserer Reise und die Zeichen der Zeit unter dem blitzblank-geputzten Himmel über Meran richtig deute, wird es wohl in absehbarer Zeit eine weitere Tour über die Berge der Alpen geben…
Images:
♦ Pixabay
♦ ALPENSTIEG: Skizze-Alpenquerung Oberstdorf-Meran
♦ © OpenStreetMap-Mitwirkende: Bearbeitete Ausschnittsversion
Links:
(1): https://www.volkerkliem.de/in-der-gletscherwelt-der-oetztaler-alpen/
(2): https://www.volkerkliem.de/in-den-bergen-des-kleinwalsertals/
(3): Bergzeit: Vergleich der schönsten Alpenrouten: https://www.bergzeit.de/magazin/alpenueberquerung-routen-zu-fuss-wandern-vergleich/
(4): Alpenüberquerung Hannibals: https://www.welt.de/geschichte/article178916540/Alpenuebergang-Mit-diesem-Geniestreich-schockierte-Hannibal-die-Roemer.html
(5): https://www.crosspoint.tirol/de-passmuseum
(6): https://www.sandwirt.bz/geschichte/
Zum Nachlesen:
(7): „Mythos Alpenüberquerungen“, DIE BERGFÜHRER-Bergsportschule und & Eventagentur, 2024
(8): „Fernwanderweg E5“, Rother Wanderführer, Bergverlag Rother GmbH, München, 2017
(9): „Hüttenwandern im Ötztal“, Ötztaltourismus Tirol/Österreich
(10): Roadbook ASI-Reisen und GPS-Navigator: „Alpenüberquerung Oberstdorf-Meran 2024- individuell“
(v.k.)